Coaching: Ein wahrer Allrounder für alle Lebenslagen

Job-Coaching, Bewerbungscoaching, Führungskräfte-Coaching, Mental- oder auch Krisen-Coaching… Offensichtlich gibt es ein unfassbar großes Coaching-Angebot für jede Lebenslage. Aber: Woran erkennt man eigentlich, dass man ein Coaching braucht? Wie findet man dann das „richtige Coaching“ für sich und seine Bedürfnisse? Gibt es hier überhaupt ein Richtig oder Falsch? Da wir hier auch keine schnellen Antworten geben können, haben wir bei einer Expertin nachgefragt.

Dana Przybille gehört seit mehreren Jahren zum Coaches-Team der TÜV Rheinland Akademie und verrät uns im Interview, was ein gutes Coaching ihrer Ansicht nach ausmacht, welche Ziele man damit verfolgen kann und was sie selbst besonders reizvoll an ihrer Arbeit als Coach findet.


Hallo Frau Przybille, den Begriff Coaching hört und liest man ja mittlerweile überall, in unterschiedlichsten Varianten. Was ist das denn eigentlich?

Wir Menschen und unsere Psyche sind sehr komplex. Demnach gibt es auch viele verschiedene Sichtweisen, Begriffserklärungen, Ansätze und Definitionen für Coachings. Ich persönlich definiere den Begriff als professionelle Begleitung von Lern-, Veränderungs- und Entwicklungsprozessen.
Um das etwas genauer zu erklären: Im Coaching schaffen wir einen Rahmen, der es dem Coachee ermöglicht seine Ziele zu definieren und Entwicklungsschritte eigenverantwortlich umzusetzen. Wer hier einen interessanten Ansatz für sich sieht, kann sich mit einem Coaching unterstützen lassen.

Ich als Coach fungiere dabei prozessbegleitend und biete Hilfestellungen an, um bspw. Hindernisse aus dem Weg zu räumen und passende Lösungsstrategien zu entwickeln. Man nennt das auch „Hilfe zur Selbsthilfe“. Dabei gebe ich natürlich keine konkreten Vorgaben, sondern setze eher Impulse, welche die Entwicklung von Lösungsstrategien beim Coachee selbst aktivieren. Dafür gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Methoden. Welche davon die Richtige ist, zeigt sich meist erst im Kennenlernprozess. Coaching ist immer interaktiv und findet personenzentriert statt. Der Mensch als Individuum steht dabei im Mittelpunkt. Demnach muss auch ich meinen „Methodenkoffer“ immer anpassen und mich auf jede Situation und jeden Coachee neu einstellen.

Gelingt das immer?

Eine wichtige Grundvoraussetzung ist die Beziehung zwischen Coach und Coachee. Diese sollte neben fachlicher Kompetenz und der professionellen Distanz, vor allem auf Vertrauen basieren. Man könnte sagen, dass die Chemie stimmen muss. Ohne dem ist Coaching nicht zielführend möglich. An diesem Punkt muss man dann auch ganz ehrlich miteinander sein und Alternativen empfehlen. Glücklicherweise war ich bisher noch nicht in so einer Situation.

Wie läuft ein Coaching grundsätzlich ab?

Bevor ein Coaching tatsächlich beginnt, gibt es immer einen Auftrag. Der Coachee kommt freiwillig mit seinem Anliegen ins Coaching. Das Kick-off findet dann in Form eines Erstgespräches statt. Dies dient in erster Linie dazu eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Coach und Coachee können sich sozusagen etwas beschnuppern. Hier wird entschieden, ob beide in Interaktion treten können oder eben nicht. Wie schon erwähnt, muss die Chemie stimmen. Nachdem das „geklärt“ ist, werden die Ziele des Coachings bestimmt. Mit Hilfe der Ergebnisse aus dem Erstgespräch, den Beobachtungen und Wahrnehmungen, kann der Coach schon aus seinem Methodenkoffer ein oder mehrere Instrumente wählen, die dann im Coaching-Prozess Anwendung finden. Hierbei sollte man beachten, dass es nicht bei diesem Instrument bleibt und der Einsatz im gesamten Verlauf, situativ angepasst werden muss. Die Dauer des Coachings ist unterschiedlich und wird in der Regel im Vorfeld festgelegt. Abschließend werden verbindliche Termine vereinbart – und los geht´s.

Woran erkennt man denn, dass ein Coaching hilfreich wäre und welche Ziele sollte man sich setzen?

Der Markt bietet aktuell ein unheimlich breitgefächertes Angebot an verschiedenen Coachings, für jede zu bewältigende Herausforderung oder auch Krise in unserem Leben. Mental-Coaching, Karriere-Coaching, Krisen- oder Job-Coaching – die verschiedenen Ansätze und Methoden können unheimlich vielseitig eingesetzt werden. Jeder, der irgendwie „feststeckt“ bzw. seinen Weg nicht mehr klar sieht und Unterstützung bei der Erreichung seiner Ziele oder dem Bewältigen von Krisen braucht, kann und sollte darüber nachdenken ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Mit einem Coaching kann so vieles erreicht werden, auch wenn es manchmal nur darum geht, neue oder ganz andere Perspektiven und Ansätze aufzuzeigen. Und das Beste ist: Unsere Coaching-Angebote sind mit einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS), der Agentur für Arbeit oder Jobcenter, zu 100% förderfähig. Dem Coachee entstehen demnach keine Kosten.

Die individuellen Ziele werden im Coaching – ausschließlich vom Coachee selbst – bestimmt. Oftmals werden diese schon bei der Wahl des Coachings ersichtlich und müssen dann nur noch etwas deutlicher ausformuliert werden. Wer ein Job- oder Karriere-Coaching bucht, will sich meist beruflich entwicheln, wer ein Lebenslagen- oder Krisen-Coaching beginnt, ist meist auf der Suche nach Struktur und Klarheit. Aber auch hier gibt es immer wieder Überraschungen. Neben dem Wunsch zur beruflichen Neuorientierung, können bspw. auch die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Selbstsicherheit und Durchsetzungsstärke relevant werden. Wenn so ein Fall auftritt, muss erst einmal „Ordnung geschaffen werden“.

Das klingt herausfordernd. Welche Methoden kann es zur Zielerreichung geben?

Die Vielzahl der Coaching-Arten auf dem „Coaching-Markt“ bringt natürlich auch ein enormes Quantum an Methoden mit sich. Hier gilt es die geeignete Methode zu wählen, denn jeder Coachee benötigt eine andere Vorgehensweise. Manchmal ist auch eine multimodale Arbeitsweise nötigt, d.h. man verwendet einen sogenannten Methodenmix um Coaching-Ziele zu erreichen. Ich persönlich verwende gern Elemente aus dem Systemischen Coaching. Systemisches Coaching verfolgt das Ziel, die Selbstorganisationsfähigkeit wiederherzustellen, und knüpft dabei direkt an seine Handlungsmöglichkeiten an.

Mit Hilfe von Fragetechniken aus der Systemik erlangt man Informationen über das „System des Coachees“. Parallel dazu wird verdeutlicht, wie bestimmte Situationen und Erlebnisse von den „Angehörigen“ des Systems unterschiedlich gesehen und betrachtet werden. Hierbei können zum Beispiel die Systemangehörigen mit angeregt werden, um neue Lösungsansätze zu finden und umzusetzen. Typische Fragetechniken sind zirkuläres Fragen, die Wunderfrage aber auch die Skalierungsfrage. Weitere Methoden die sich im Coaching bewährt haben sind die Erstellung eines Visionboards oder „Der Baum der Entwicklung“, von Maximilian Bache. Es gibt noch viele mehr, der Methodenkoffer ist gut gefüllt. 😉

Was sind die größten Herausforderungen beim Coaching? Gibt es Besonderheiten, auf die beide Parteien achten müssen?

Im Coaching besteht immer eine Gefahr der Abhängigkeit, Coach und Coachee begeben sich auf eine Gradwanderung, im Rahmen ihrer Beziehung. Jeder Coach sollte über Grundsätze in der Beratungsarbeit/Coachingarbeit verfügen. Wichtig dabei ist, dass eine professionelle beraterische Distanz gewahrt wird. Eine wertschätzende, respektvolle und wertfreie Haltung setze ich im Coaching voraus. Dazu gehört die Würdigung, Achtung und Respektanz gegenüber dem Coachee und seines Systems. Eine neutrale Verhaltensweise hinsichtlich der Glaubenssätze, der Veränderungsbereitschaft und auch den Beziehungen des Coachees ist unabdingbar für eine vertrauensvolle, ganzheitliche, ressourcen- und lösungsorientierte Arbeitsweise.

„Digitales Coaching“ wird aktuell sehr verbreitet angeboten. Was versteht man darunter und wie wird das bei der TÜV Rheinland Akademie umgesetzt?

Aristoteles sagte einmal: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“. Gerade in der aktuellen Situation, in der die Wirtschaft Corona-bedingt stillsteht und die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen so schnell nicht zu erwarten sind, findet diese Aussage noch mehr Gültigkeit.

Aufgrund unserer Flexibilität und der Strategien die wir entwickelt haben, sind wir auch weiterhin in der Lage, professionell mit unseren Teilnehmenden zu arbeiten.

Es ist uns erfolgreich gelungen, die präsenzorientierte Durchführung unserer Weiterbildungsmöglichkeiten und Coachings umzustellen. Durch die schnell voranschreitende Digitalisierung, ermöglichen uns Online-Plattformen wie beispielsweise Skype for Business, MS Teams oder Zoom die virtuelle Umsetzung.

Die Kommunikation mit unseren Teilnehmenden findet hierbei auf vielfältiger Weise statt. Durch Telefonie und Video-/Web Conferencing führen wir an Maßnahmeinhalte heran und stehen dabei auch beratend zur Seite. Besonders das Coaching profitiert davon, weil „äußere Einflüsse“ (die zum Teil auch ablenkend sein können) in der digitalen Durchführung nicht existieren. Zum anderen befinden sich die Kunden in ihrem „Zuhause“, welches oftmals der Rückzugsort oder ihr persönlicher „Schutzraum“ angesehen wird. Dort fühlen sie sich wohl, dort dürfen sie sein. Und das spiegelt sich im Coaching wieder. Ich erlebe meine Kunden authentischer und selbstsicherer.

Und wie läuft das dann ab?

Das „Digitale-Coaching“ läuft genauso ab, wie in der Präsenz. Vorab gibt es hier ein Telefongespräch indem der Auftrag geklärt wird. Im Anschluss werden Termine und das passenden Medium zur Umsetzung vereinbart.

Das einzige was der Kunde für die alternative Durchführung benötigt, ist eine stabile Internetverbindung und ein Laptop, Tablet oder Smartphone.

Digitales Coaching: Individuell, flexibel und (fast) überall realisierbar.
Zu guter letzt: Was reizt Sie an Ihrer Tätigkeit als Coach – und – haben Sie eine hervorzuhebende „Erfolgsgeschichte“?

Ganz klar: Der Mensch, mit all seinem Leben. 🙂 Als Coach tätig zu sein erfüllt mich auf all meinen Ebenen. Mein Job ist nie eintönig, sondern sehr facettenreich und bunt. Jedes Coaching beinhaltet für mich eine Erfolgsgeschichte – selbst wenn es nur kleine Dinge sind, die wir gemeinsam bewegen konnten. Veränderungs- oder Entwicklungsprozesse benötigen nunmal Zeit. Man darf nicht vergessen, dass selbst gewünschte Veränderungen auch hemmende und teilweise blockierende Ängste auslösen und dann sogar wie Blockaden wirken können. Ich sehe mich als Wegbegleiter an der Seite meiner Coachees und freue mich über jeden einzelnen Schritt auf diesem Weg.

Ein gutes Beispiel fällt mir aber tatsächlich gerade ein…

Eine Kundin, welche sich in einem Transformationsprozess vom Mann zur Frau befand, suchte mich auf, weil sie keinen Job fand. Sie vermutete, dass dies an ihrer „Verwandlung“ lag. Darunter hatte sie sehr gelitten. Im Rahmen des Coachings haben wir daran gearbeitet, dass sie ihren Selbstwert wiederfindet und gemeinsam eine Strategie entwickelt, welche das Ziel hatte sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Selbstvermarktungsstrategien ist das „A und O“. Gemeinsam sind wir damit rausgegangen und sie hat sich persönlich bei potenziellen Arbeitgebern vorgestellt. Das war vor dem Coaching undenkbar. Etwa 1 Woche nachdem das Coaching beendet wurde, hat sie ihren Arbeitsvertrag als Verkäuferin unterschrieben. Ich freue mich auch heute noch über diesen Erfolg und bin unglaublich stolz auf meine Kundin.

Im Coaching-Prozess selbst ist mir bewusst geworden, mit wieviel Diskriminierung sie sich täglich auseinandersetzen muss. Unvorstellbar in der heutigen Zeit. Umso schöner ist es dann, wenn ich mit meiner Arbeit etwas bewegen kann.

Das ist definitiv ein würdiger Abschluss unseres Interviews. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen und uns einen kleinen Einblick in die Welt des Coachings gewährt haben! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Spaß bei Ihrer Arbeit und hoffen, dass Sie auch in Zukunft noch viele Erfolgsgeschichten sammeln können.

Kurzportrait Dana Przybille

Dana Przybille
Dana Przybille gehört seit 2015 zum Coaches-Team der TÜV Rheinland Akademie in Lehnitz.

Ich selbst komme aus dem schulmedizinischen Bereich und war als exam. Gesundheits-/Krankenpflegerin auf der Intensivstation und auch in der Anästhesie tätig.

Nach einer beruflichen Auszeit, in der ich an meiner beruflichen Neuorientierung werkelte, habe ich verschiedene Ausbildungen im Bereich Coaching/Beratung absolviert, so zum Bsp. Train the Trainer, Bewerbungsmanagement, Kommunikationsmanagement, Burnout Berater.

Seit 2015 bin ich für die TÜV Rheinland Akademie in Lehnitz in unterschiedlichen Maßnahmen und Projekten unterwegs. Als Coach begleite und berate Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen und Lebensphasen.

Und was soll ich sagen – ich liebe meinen Job! 🙂

Melanie Balzer